Xaver Ulm / Neu-Ulm
Ausgabe November 2003
TRANSAFRIKA
Zu Gast bei Rebellen
im Südsudan
Eineinhalb Jahre lang ein Jeep als Zuhause
Eineinhalb Jahre
im Jeep
durch Afrika
Eine Kamera und zwei Wagemutige
Doppelt durch Afrika
Mit Pygmäen auf die Jagd
Globetrotter bald wieder da
Der lange Weg zurück
Ulmer am Südkap
Bei den Elefanten im Tschad
Einmal Südkap
und zurück

GLOBETROTTER
Kraft aus der Einsamkeit der Wüste

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Doppelt durch Afrika



Afrika: "Kontinent der Alten Welt, rund 30 000 Quadratkilometer, umfasst ein Fünftel der Landemasse der Erde" - sagt der Brockhaus. Afrika: "Geheimnisvolle Abenteuer,naturverbundenes, ursprüngliches Leben lebensfeindliche Wüste und Naturkatastrophen, Hunger und Bürgerkriege" - berichten die Medien über den Kontinent.

19 Monate waren die beiden Ulmer, Sabine Fratzke und Bernd Spaeth 81 000 Kilometer in Afrika von Nord nach Süd unterwegs und erlebten unglaublich viel, wunderschöne Augenblicke, aber auch kritische Situationen. Und wir versuchen nun, das alles auf zwei Seiten das XAVERs zu pressen. Also, wem Text und Bilder nicht genügen, der kann während der Diavorträge der beiden Afrikaluft schnuppern, zuhören und sich einfach von Sabine und Bernd in Richtung Afrika tragen lassen.



Alles begann, wie so oft, mit einem Traum: Schon lange hatte der 36jährige Diplom-Ingenieur Bernd im Sinn, den Kongo zu durchqueren. Was aber in den sechziger Jahren in drei Tagen möglich war, scheiterte 1991. In diesem Jahr wurde Bernd mit zwei Studienkollegen und zwei Lada Niva vom ausbrechenden Bürgerkrieg in Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) gestoppt und schließlich richtig abenteurergerecht mit einer belgischen Transallmaschine kurz vor Beginn der Revolution ausgeflogen. Und seitdem hatte er immer wieder mit einer Afrika-Durchquerung geliebäugelt.

"Unter Globetrottern gilt die AfrikaDurchquerung immer noch als die härteste Schule", berichtet Sabine, die neben Radio Free FM auch das Cat-Cafe aufgebaut hat. Eine perfekte Vorbereitung ist deshalb alles: Ein ständiges Zusammentragen verfügbarer Informationen, um schließlich eine machbare Route zusammenzustellen. Das ist heute in Zeiten des Internets um einiges leichter ist als noch vor einigen Jahren, als man auf eine recht spärliche Literatur angewiesen war.

Vor allem auch vor Ort, oder gerade dort, ist die Kommunikation mit anderen Reisenden sehr wichtig. Denn schon eine einzige eingestürzte Brücke, überschwemmte Landstriche oder eine gesunkene Fähre können eine lang geplante, gute und sichere Strecke auf einmal zu einer Sackgasse werden lassen. "Außerdem", berichtet Sabine, "verändert sich Afrika ständig". Das heißt konkret, dass mit auftretenden Problemen durch die gewaltige Natur, aber noch häufiger mit solchen von menschlicher Seite zu rechnen ist. So tauchen plötzlich Rebellengruppen auf, oder politische Verstimmungen zwischen zwei Ländern können die Überquerung einer Grenze oder die des ganzen Kontinents unmöglich machen.

Was das Projekt der beiden Ulmer und ihres treuen Kumpels Toyo (einem Toyota Landcruiser, der am Ende der Reise gut über 320 000 Kilometer auf dem Tacho hatte) noch um einiges schwieriger gestaltete, war die Tatsache, dass sie sich hauptsächlich abseits der Straßen, auf ausgetretenen Trampelpfaden, sofern man davon in Afrika überhaupt sprechen kann, bewegten. Sie reisten also nicht auf der beliebte Route entlang der Ostoder Westküste, sondern fanden ihren eigenen Weg durch den afrikanischen Kontinent.

Im September 2001 also traten Navigatorin Sabine (ebenfalls DiplomIngenieurin) und Bordmechaniker Bernd, mit jahrelanger Erfahrung in der Automobilindustrie und weitreichender MechanikerErfahrung (nicht zuletzt dank einer ewig knappen Studentenkasse), mit ihrem Toyota die Reise an, nicht zu vergessen der vierte und unersetzbare Reisebegleiter: Sabines Laptop. Der spielte vor allem beim Navigieren eine wichtige Rolle. Und heute sieht man ihm die eineinhalb Jahre fast nicht an, bis auf ein paar Kratzund Sandspuren.

Zuerst ging es durch Tunesien und Algerien. Dort bewegten sich die beiden erfahrenen Sahara-Reisenden sozusagen noch auf heimischem Terrain und erlebten am 11. September 2001 eine schockierte algerische Bevölkerung.

Insgesamt ging es durch 21 Länder. Zunächst, nach endloser Weite und extremer Ruhe der Sahara, über den Niger, über Tschad und Kamerun schließlich in die Zentralafrikanische Republik. Was hier in einem Satz zusammengefasst wird und sich relativ problemlos, fast sogar leicht anhört, war allerdings eine Reise von einigen Tagen, begleitet von einer immensen Bilderflut vom HoggarGebirge und von der TenereWüste, von Wüstenkrokodilen im Guelta d'Archei bis hin zu den Vulkanstränden von Kribi, um nur einige wenige Highlights des Beginns der Transafrika-Tour zu nennen.

In der Zentralafrikanischen Republik wurden die beiden Ulmer durch die schwierige politische Lage vor Probleme gestellt. "Wir haben unterwegs mit sehr vielen Leuten gesprochen, ob es möglich ist, die Zentralafrikanische Republik zu durchqueren", berichten Sabine und Bernd rückblickend ihr Vorgehen. Es war möglich. Allerdings bedeutete das, 2000 Kilometer (was in unseren Breiten gesprochen ungefähr zweimal der Strecke von Flensburg nach Konstanz entspricht, wohlgemerkt auf geteerten und mindestens zweispurigen Autobahnen) ohne Versorgung u.a. auf einem recht schmalen einspurigen Weg zu fahren. Da mussten Steine gerollt und Äste gehackt werden, damit die beiden überhaupt weiter kamen.


Und auch die Weiterreise in Richtung SüdSudan war eine Geschichte für sich. Für rund drei Kilometer mussten sich die beiden eine Eskorte nehmen, um dann schließlich die Grenze überschreiten zu dürfen. "Das Witzige dabei war, dass direkt an der Grenze gerade Markt war und sich die Afrikaner nicht wirklich darum kümmerten, dass sie ein Land verließen und das andere betraten", schmunzeln Sabine und Bernd. Doch eigens für die beiden wurde kurzerhand ein Grenzposten bestehend aus Ästen gefertigt, damit sie dann ganz offiziell den Sudan betreten konnten. "Als erste Touristen seit zwölf Jahren wurden wir sehr freundlich aufgenommen", sagt Sabine. Allerdings bewegte sich das Begrüßungsgespräch irgendwo zwischen Willkommen und Verhör, weil die SüdSudanesen den Umgang mit Touristen schlichtweg nicht mehr gewohnt sind. Und noch etwas Besonderes fiel auf: das WillkommensVerhör fand auf Englisch statt. Das ist aufgrund der Kolonialgeschichte Großbritanniens zunächst nicht bemerkenswert, aber doch, wenn man bedenkt, dass bis zur Grenze eigentlich nur Französisch gesprochen wurde (zur Erinnerung: es handelte sich um diese oben genannte, äußerst robuste Grenze aus Ästen).

Ganz anders in Uganda, wo die Globetrotter eine relativ gute touristische Infrastruktur vorfanden und sozusagen gelb sahen. Denn in Uganda heißt das Nationalgericht Matoke, oder wie wir hier sagen, Banane: gekocht, einfach so, gebraten, zum Frühstück, zum Mittagsessen oder abends. Wehe dem, der keine Bananen mag.

Nach sechs Wochen ging es von Uganda aus weiter nach Tansania, wo die beiden auf wahrlich europäische Preise trafen: Das Übersetzen über den TanganikaSee kostete schlappe fünfbis sechshundert amerikanische Dollar. Und auch die Schimpansen von Jane Godall sind recht unerschwinglich: 100 $ der Parkeintritt pro Person, plus 20 $ pro Nacht, weil der Gombe Stream National Park nur per Boot erreichbar ist, plus Trekkingführer für weitere 20 $, macht ... zuviel. Denn trotz guter Planung und ein wenig Sparsamkeit war das Budget der beiden nicht unerschöpflich: "Man rechnet so mit 1200 Euro pro Monat", erklärt Sabine. "Andere bauen ein Haus, wir reisen eben."

Von Tansania aus führte sie ihre Route über Sambia, die dortigen ViktoriaFälle und über Botswana, das Eiland in den Salzpfannen, nach Namibia. Obwohl dort ein kleines Stückchen Deutschland aus der Kolonialzeit übrig geblieben ist, gibt es im Norden auch heute noch eines der wenigen traditionell gekleideten Völker Afrikas: die Himba, die sich mit roter Erde und Fett einreiben. Denn entgegen aller Vorurteile, d.h. Vorstellungen von nackten schwarze Menschen, die den ganzen Tag irgendwelche Stammestänze vollführen, ist der Großteil der Afrikaner nach europäischem Vorbild gekleidet, nicht zuletzt auch aufgrund diverser Kleiderspenden aus unseren Breiten.

Die sich anschließende Zeit in Südafrika genossen Bernd und Sabine sehr. "Wir haben einige Wochen bei einem Freund auf einer Farm verbracht, weil wir nach fast einem Jahr auf Achse einfach keine Lust mehr hatten, weiterzufahren", erinnern sich die beiden, "einfach um Erlebtes zu verarbeiten und einmal zur Ruhe zu kommen". Denn als sie am Grabenbruch in Tansania standen für Europäer normalerweise ein gigantisches Erlebnis sagten beide nur "ganz nett" und weiter ging's. Die Bilderflut sei einfach unglaublich groß, bestätigen die beiden.

Später fuhr sie ihr Toyo über Lesotho, Swasiland und Mosambik, über Simbabwe und Malawi, zum zweiten Mal nach Tansania, dann nach Kenia und Äthiopien, dem sogenannten "Museum der Völker". Denn wie die oben erwähnten Himba in Namibia und die Massai in Kenia sind dort die meisten noch traditionell gekleideten Völker Afrikas zu sehen. Zudem können hier die Quelle und die Fälle des weißen Nils bestaunt werden.

Schließlich kehrten die beiden wieder in den Sudan zurück, um dann über den Nahen Osten wieder in Richtung Heimat zu reisen (Route: Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Österreich und: Ulm!). Und dort war dann erst mal wieder das Einleben angesagt. Die beiden hatten ihre Wohnung nur untervermietet und somit gleich wieder ein Dach über dem Kopf, und Bernd arbeitet inzwischen wieder in seiner alten Firma als Ingenieur: perfekt!

"Anfangs war es schon ein komisches Gefühl, ganz alleine an einem Ort zu sitzen", sagt Sabine, die sich jetzt um die Vorbereitung der DiaVorträge kümmert. Denn in Afrika ging es jeden Tag von Neuem los: Übernachtungsmöglichkeit suchen, Brotpreis aushandeln und ganz nebenbei als Weiße noch Entertainer sein. Wie z.B. im Tschad. Dort wollten die beiden einfach nur unter einem Baum sitzen und eine Newsletter schreiben, waren aber sofort umringt von einer Menge Begleiter, die sie keine Sekunde aus den Augen ließen. So viel Offenheit und Neugier kann manchmal leider auch ein wenig zu viel des Guten sein.

Was Sabine und Bernd ebenfalls in Erinnerung behalten werden, sind die meist erstaunlich gut funktionierenden Internetcafes, die es dort an fast jeder Ecke gibt.

Ein typisches Problem von deutscher Seite war hingegen die Abwesenheit der beiden. "Das ist in Deutschland einfach nicht vorgesehen", sagt Bernd. So bestand beispielsweise eine Sachbearbeiterin auf eine persönliche Unterschrift von Sabine, und auch mit den Banken Versicherungen, Anwälten, Steuerberatern und der Deutschen Post AG gab es Probleme, weshalb oft längere Downloadund Scansessions notwendig waren. Optimal funktioniert hat hingegen der Ulmer Bürgerservice in punkto Bundestagswahl. "Wir konnten von Südafrika aus per Briefwahl wählen", erinnern sich beide.

Aber für jedes Problem gab es letztendlich eine Lösung: Auch als in Kenia, jeweils 1000 Kilometer entfernt von Nairobi und Addis Abeba ein kaputtes Spurlager die Tour zu stoppen drohte, war Hilfe nicht weit entfernt: ein Gemischtwarenladen um die Ecke hatte zum Glück dieses Teil in seinem Sortiment. Für den erfahrene Buschmechaniker Bernd also "no problem". Denn: Abenteuer findet man immer dort, wo man sie sucht.

NADINE PFLAUM


INFO
Internet: www.afritracks.de
Termine für Diavorträge:
20.11. Ulm, Roncalli-Haus, 20 Uhr
04.12. Laupheim, Kulturhaus, 20 Uhr









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